Meine Trauer, die Anderen und Ich

Meine Trauer, die Anderen und Ich

Meine Trauer, die Anderen und Ich – ein Thema das mich sehr berührt. Gefühlt könnte ich seitenweise über all die unterschiedlichen Erfahrungen schreiben, die ich seit nun fast 30 Monaten erlebt habe.

Meine Trauer, ein Wechselbad der Gefühle – ein nicht verstehen wollen was passiert ist an dem Tag im April 2014. Immer wiederkehrende Bilder der Momente die mein Leben zum Stillstand brachten – und dennoch läuft die Zeit einfach weiter. Ich trage seit dem Tag keine Uhr mehr – meine Zeit ist stehengeblieben, nichts ist mehr so wie es war –und es wird auch nie mehr so werden. In dieser Trauerwelt versuchen wir die Leere neu zu gestalten. Wir in unserer kleinen Familie. Jeden Tag aufs Neue…

Die Anderen, auch ein Wechselbad der Gefühle. Die Sätze die im  Memento-Aufruf standen, sind mir seit Leonards Tod oft begegnet. Eine Zeitlang verspürte ich eine riesige Aggression in mir wenn ich jemand fragte:  „Wie geht’s?“. Wie soll es mir schon gehen? Die Sorglosigkeit mit der einige Menschen durchs Leben gehen macht mich oft fassungslos und noch trauriger. Am liebsten würde ich dann abtauchen um das alles nicht mehr aushalten zu müssen.

Ich habe deswegen irgendwann innerhalb der letzten 30 Monate entschieden, meine Aufmerksamkeit auf die Menschen zu lenken die anders sind. Die Mit-Fühlen – Mit-Trauern – Mit-Leiden – mit mir Lenny vermissen. Viele sind es nicht, die geblieben sind – deshalb sind diese Menschen um so wertvoller geworden. Dafür bin ich dankbar, dass ich mit meiner Familie nicht alleine bin auf dem Weg der vor uns liegt.  So vieles hat sich verändert. Es fällt mir immer noch schwer in größeren Gruppen gutgelaunten Menschen zu begegnen. Das sind Stiche ins Herz, Ohnmacht, Dünnheutigkeit.

Immer wieder zu sehen was Lenny alles nicht erleben durfte – was wir nicht mit ihm erleben dürfen – das tut so unendlich weh.

Die Anderen – viele verloren – einige dazu gewonnen die auch traurig sind, die den Schmerz auch fühlen, weil sie den gleichen erleben mussten. Auch oft ein Paradox – man mag diese Menschen und wäre ihnen doch am liebsten nie begegnet…

Ich – ein Wechselbad der Gefühle – am liebsten oft unter der Decke liegen bleibend – und doch stehe ich jeden Tag auf… Funktioniere, reagiere, agiere… Bin Ehefrau und Mutter eines 12-jährigen aufgeweckten, lebendigen Sohnes, der wunderbar ist und für den ich so dankbar bin und Mutter eines mit 13 Jahren verstorbenen, heute fast 16-jährigen Sohnes – den ich so unendlich vermisse.  Ver-Rückt ist es – unser Lebens-Mobile.

Manchmal gehört alles zusammen – meine Trauer – die Anderen – Ich.

Und manchmal steht alles ganz alleine.

Jeder Teil davon braucht seinen Raum, das habe ich gelernt in den Monaten seit Lennys Tod. Und ich habe gelernt es braucht keine guten Ratschläge wie „Lenk Dich doch mal ab…“ und schon gar nicht die Frage „Und wie geht’s?“. Ich wünsche mir Menschen die zuhören, die bei mir sind, die mich in den Arm nehmen, die mit mir schweigen können wenn es nichts zu sagen gibt, die über Lenny sprechen, die lachen und weinen und die weiter mit mir gehen.

Und ganz oben steht für mich die Liebe!

Es geht um die Liebe – die bleibt für immer – für meine Familie und für mich.

Nicole S., Memento, Meine Trauer – die Anderen und Ich.

 

Erfahrungsbericht aus der Memento.